St. Remy und Avignon
An der breiten Rhône entlang reisten wir über den uns zu recht empfohlenen Zwischenstopp Grignan hinein in die Provence. Durch Lavendelfelder und Olivenhaine, durch Weinbaugebiete und leider auch durch Starkregen ging es nach St. Remy, einem interessanten und lebendigen Städtchen, in dem ein rotblonder Maler einst Heilung von seinem Nervenleiden suchte. Als wir den ersten Zeltplatz angesteuert hatten und der ausgebucht gewesen war (im September!), befiel auch S. kurz ein Nervenleiden. Doch die Rezeptionistin verwies uns an drei andere Plätze und schon beim nächsten klappte es.
Wir bekamen einen Plan in die Hand mit einer Auswahl an Stellplätzen, entschieden uns für den mit dem meisten Gras am Boden und bauten unser Zelt auf. Der Himmel war wieder blau, die Temperatur betrug zwischen 20 und 25° C. Sehr schön! Als die Wolken dann einen Rosé-Ton angenommen hatten, saßen wir vor dem Zelt mit Suppe und Wein, mit Wiener Würstchen (hier laut Packung: Straßburger) und Käse aus der Comté.
Die Nacht war recht kühl, wir schliefen mit Strümpfen, langen Hosen und doppelter Oberbekleidung – im Schlafsack. Zum Frühstück hörten wir Radio Camargue und brachen nach Kaffee und vorbestellten Croissants auf an das Ziel unserer langjährigen Wünsche, auf nach Avignon!
Ein wenig Aufregung und Umleitung später (wir behielten die Nerven) fanden wir einen Parkplatz an der Porte St. Dominique. Für 2 Euro durften wir dort circa vier Stunden stehen, da die Mittagspause nicht berechnet wurde! Nun ging es durch die Straßen und über die Plätze zum Papstpalast und auf die berühmte halbe Brücke. Zwischendurch gab es petit cafés und Mireille-Mathieu-Melodien im inneren Ohr („An einem Sonntag in Avignon …“). Wir hatten unser Ziel erreicht und die Stadt gesehen. Es genügte uns, herumzulaufen, Häuser, Läden und Leute zu begucken und einfach da zu sein. Ab hier begann die Zugabe.
Von außen besichtigten wir das Geburtshaus von Nostradamus, ein Schild hatte darauf hingewiesen. Es gibt in St. Remy, wohin wir zurückgekehrt waren, auch einen Brunnen mit dem Konterfei des alten Prophezeiers. Ebenso gibt es architektonische Überbleibsel der Römer und ganz in deren Nähe die Klosterklinik, in der sich Vincent van Gogh einst behandeln ließ. Während dieser Zeit malte er 143 Bilder, der Weg vom Stadtzentrum zum „Sanatorium“ ist mit Reproduktionen dekoriert, die auf Tafeln am Straßenrand stehen. Im Museum mussten wir keinen Eintritt zahlen, dank der Journees du Patrimoine (vergleichbar mit unseren Tagen des offenen Denkmals). Umso erfreuter inspizierten wir das karge Zimmer des später Berühmten, „sein“ Feld, die Kapelle, Lavendel, Olivenbäume usw. und erfuhren, dass Jahre danach der Elsässer Albert Schweitzer in diesen Mauern weilte, als Internierter während des Ersten Weltkriegs.