Mit Weißwürsten nach Palermo
Unsere Freunde hatten lang schon von Sizilien geschwärmt, ihre Bilder und Erzählungen uns neugierig gemacht. Sogar eine Ferienwohnungsempfehlung gaben sie uns, wir sollten zu Helga nach Scopello fahren. Per Mail suchten wir Kontakt zur auf der Insel im Süden Italiens lebenden Österreicherin und fragten unter anderem, was wir ihr aus Mitteleuropa denn mitbringen könnten. So kam es, dass wir mit Weißwürsten im Gepäck nach Palermo flogen, dort in einen Fiat 500 der preiswertesten Autovermietung stiegen und dann noch circa eine Stunde nach Scopello fuhren.
Dort angekommen, erwartete uns Helga schon, und wir tauschten die Würste gegen selbstgemachte Tomatensauce. Die Wohnung war ein Traum – rustikal im besten Sinne – und Scopello ein Bilderbuchdorf, winzig und malerisch. Auf einer Anhöhe über dem Meer beherbergen wenige Häuser viele Hotels, Pensionen, Restaurants und Bars. Auf dem Dorfplatz war eine schicke und große Hochzeitsgesellschaft gerade dabei, Fotos zu machen und sich auf den Abend zu freuen. Wir tranken zwei späte Espressi und zwei frühe Gläser einheimischen Wein (Rapitalà) und schauten zu.
Später erfuhren wir, dass Scopello, am Eingang des Zingaro-Nationalparks gelegen, ein beliebtes Ausflugsziel der Palermitaner ist. Darum die erstaunliche Gastronomie und der Spaziergängertrubel auf den drei, vier Straßen. In der alten Fischfabrik unten am Meer war weniger los. Für drei Euro Eintritt ließ sich dort ein Komplex besichtigen, der mit seinen Gewölben, Geheimgängen und unzähligen alten Ankern einfach schön und ab und zu Filmkulisse ist. An Automaten konnten wir uns Brötchen und Kaffee holen, kleine Katzen streunten umher und bekundeten Interesse an einer Mitesserschaft.
Nah an Scopello liegt Castellammare, eine Kleinstadt wie aus dem Film „Cinema Paradiso“. Fischerboote schaukelten im Hafen, auf der Hauptstraße Corso Garibaldi ging es gemächlich zu und auch sonst. Es gibt eine Burg, romantische Treppen vom Hafen zur Stadt und das Lokal von Zio (Onkel) Andrea, an dessen Wänden unter anderem die alte Fischfabrik von Scopello gemalt wurde.
Ebenfalls nicht weit weg ist Erice, eine toskanisch wirkende Stadt mit unzähligen Kirchen hoch über Meer und Land. Während der serpentinigen Auffahrt in unserem kleinen Fiat bekamen wir das Gefühl, zwischen Himmel und Erde zu schweben. Oben erwarteten uns ein normannischer Dom (Sizilien war einst ein normannisches Königreich), unglaubliche Ausblicke sowie Plätze und Gassen aus Stein und Schönheit. Ähnlich uns hatten auch andere Touristen von Erice gehört – hier war es nicht einsam, jedoch keineswegs überlaufen.
Durch unbewohntes, wenngleich beackertes Land schlängelten wir uns von Erice nach Segesta mit seinem griechischen Tempel und Theater (beide sehr gut erhalten!) und einigen etwas jüngeren Ruinen (weniger gut erhalten). Die Straße bestand streckenweise nur aus Sand und Stein. Wir hätten uns nicht einbilden sollen, eine Abkürzung zu finden, auf der Hauptstraße wär’s schneller und besser gegangen. Gelohnt hat sich der Ausflug unbedingt!
Genau wie der nach Alcamo, eine von Touristen weniger frequentierte Stadt im Landesinneren und Heimat der Bank von Don Rizzo, dessen Name uns gleichzeitig an die Mafia wie an die Muppets erinnerte. In Alcamo erwischt man ähnlich wie in Castellammare Augenblicke, in denen selbst auf dem Boulevard wohltuend nichts los ist – sizilianische Gelassenheit. Und in Alcamo Marina, dem Außenposten am Meer, war außerhalb der Saison nicht nur nichts, sondern gleich gar nichts los. Verschlossene Ferienhäuser säumten einen menschenleeren Strand, auf dessen Sand ein Laufsteg aus Holz lag – absolut erholsam. Aktive Erholung inmitten filmtauglicher Badebuchten und postkartiger Ausblicke fanden wir im bereits erwähnten Zingaro-Nationalpark bei Scopello. Hier zu wandern, verleitet zum Jubeln, vor allem wenn das Wetter stimmt und tief unter dem Pfad das Mittelmeer in verschiedenen Türkistönen leuchtet.
Soviel zum Land, nun zu den Leuten: Mit sizilianischen Freunden unserer Freunde (sie hatten sie im Urlaub kennengelernt) spielten wir Briscola, das hiesige Kartenspiel. Wir zumindest nannten es so, weil Isidoro aus Alcamo stets „Brischkola!“ rief, wenn er seine Trümpfe zwischen die Fenchelwürste und den Rapitalà-Wein schmetterte. Seine Frau Anna und unsere perfekt zweisprachige Vermieterin Helga sorgten dafür, dass wir zwischen den Schwertern, Keulen, Vasen und Münzen auf den vielbenutzten Karten nicht völlig die Übersicht verloren. König und Ober von einer Farbe in einer Hand bedeuteten „Brischkola!“, von uns als Trumpf übersetzt. Es ging leicht skatverwandt darum, im Laufe des Abends 500 Punkte anzusammeln. Und die Anfänger hatten Anfängerglück – mit Briscola, mit Helgas Wohnung in Scopello und mit dieser hübschen Ecke von Sizilien.
HB
Hier ein schönes Video über den Zingaro Nationalpark auf Sizilien