Um zwölf schon Weißwein
Die Auvergne – gehört hatten wir von dem Gebiet bereits. Mehr, als dass es irgendwo in Frankreich zu finden sei, hätten wir allerdings nicht darüber zu sagen gewusst. Also fuhren wir hin, zumindest in den Norden der Region. Denn schon der, das Bourbonnais, ist ganz schön weit weg und zwei Wochen Urlaub sind nicht so sehr lang.
Nach einem Zwischenstopp im elsässischen Guebwiller geht es über Besancon und Beaune nach Autun. Das liegt noch nicht in der Auvergne, aber auf dem Weg und ist eine besuchenswerte Stadt. „Das kleine Rom“ verfügt über Stadttore aus der Römerzeit und den ebenfalls steinalten Janustempel, an dem eine ganze Brigade von Archäologen zu tun hat. Außerdem wirkt Autun ländlich-gemütlich, ohne langweilig zu sein. Vom großen Marktplatz aus sieht man den Wald, an ihren Rändern geht die Stadt in Felder über. Über einem Café mit Blick auf das Rathaus finden wir ein preiswertes Zimmer, das Zelt bleibt im Auto, es könnte regnen.
Im Erdgeschoss des Rathauses und auf dem gesamten, eigentlich als Parkplatz genutzten Markt stehen am nächsten Morgen Stände, Buden sowie Lieferwagen, aus denen heraus alles verkauft wird, was man braucht und was man nicht braucht. Gut, dass der Kellner im Café (und gleichzeitig Zimmervermieter) am Vorabend Bescheid gegeben hatte und unser Auto nicht abgeschleppt werden musste. Die entsprechenden Aushänge auf Französisch waren von uns nämlich nicht in letzter Konsequenz verstanden worden …
Weiter geht’s nach Moulins, Auvergne. Der Reiseführer (in Buchform) hatte neugierig gemacht und zu hohe Erwartungen geschürt. Wir durchstreifen das alte Viertel mit seinem Uhrturm samt metallener Glöcknerfamilie, mit Schloss und Kirche, werden im Jugendstil-Café auf dem großen Platz nicht beachtet (weswegen wir an einen Imbiss wechseln) und laufen an einer Reihe leerer Läden vorbei. Letzteres erinnert an die Entwicklungen zu Hause: Einkaufszentren laugen Geschäftsstraßen aus und leerstehende Ladenlokale machen einen traurigen, unlebendigen Eindruck.
Wir wollen nicht bleiben und fahren nach Souvigny. Das gefällt uns, hat jedoch keinen Zeltplatz. Im Lese-Café an der ortsbeherrschenden Klosterkirche werden wir nach Bourbon-L’Archambault geschickt – circa 15 Kilometer weiter. Ein Geheimtipp, den wir nicht auf dem Plan hatten. Zwei Übernachtungen auf dem dortigen weitläufigen und höchstens halbgefüllten Campingplatz kosten nicht einmal 16 Euro (für zwei Personen mit Zelt und Auto)! Hinzu kommt das charmante Kurstädtchen an sich mit Burg, Park und Thermalquellen. Das Badehaus sieht aus wie ein Stadtbad aus dem beginnenden 20. Jahrhundert: Groß, hell und prächtig. Und es ist gut besucht! Außerdem verfügt Bourbon-L’Archambault über ein paar Hotels, Lokale und Einkaufsmöglichkeiten …
Im Gebiet drumherum gibt es auffällig viele romanische Kirchen, fast in jedem Dorf steht eine (u.a. in St.-Menoux, St.-Hilaire und – eine besonders kleine – in Chemilly). Wenn man sie anschaut, ist man in der Regel allein – das ist gut für die Stimmung. Gut fürs Verstehen wiederum ist die Erklärung, dass man hier bis ins 15. Jahrhundert hinein den romanischen Baustil pflegte. Außer in Souvigny – das Gotteshaus dort präsentiert sich in gotischen Formen.
Mal nicht um Kirchen geht es uns in Vichy, einer weiteren, größeren und wegen gleichnamiger Kosmetikprodukte sowie ihrer Rolle in der Geschichte viel bekannteren Kurstadt, deren Grünanlagen, Heilhäuser und Wandelgänge uns an Karlovy Vary erinnern. In einer Bar namens „Albert I.“ nehmen wir zwei kleine Kaffees an der Theke und kommen beinahe mit dem Wirt und zwei um zwölf schon Weißwein trinkenden Gästen ins Gespräch – wenn wir’s nur könnten. Mit Gesten und Blicken teilen wir den Franzosen mit, dass es ganz schon früh für Alkohol sei. Die kontern und geben uns zu verstehen, dass wir schuld daran seien. Schließlich tränken sie Wein aus dem Elsass, also von den Deutschen …
Bei anderer gastronomischer Gelegenheit erzählt uns ein deutsches Paar, dass es sich gerade auf der Rückreise vom Weltententreffen befände. Das widme sich dem französischen (!) Automobil dieses Namens und nicht etwa dem Schnabeltier und habe gerade im spanischen Aragon stattgefunden. Enten in Form von Kraftfahrzeugen sind uns schon ein Begriff, vom Weltententreffen allerdings hören wir hier zum ersten Mal.
Auf der Rückreise von Vichy nach Bourbon-L’Archambault bemerken wir die Burg von Billy und steuern sie aufgrund ihrer auffälligen Gestalt unvermittelt an. Inmitten einer ansehnlichen Gruppe von größtenteils einheimischen Touristen laufen wir kurz darauf durch den Mauerring und wohnen im Anschluss daran einer Demonstration ritterlicher Kampftechniken bei. Noch am Abend beim Camper-Mahl vorm Zelt – es gibt Boeuf Bourguignon und Cassoulet aus Hypermarché-Einmanndosen – reden wir davon.
Später hören wir dann Coeur de Pirate von CD, unser Reiseandenken, mitgebracht auf Empfehlung von MDR Figaro. Wirklich. Schöne Musik.
HB